livrn ['liːvrn]

vb. tr., p.p. gelivrt [gə'liːvrt] - (jem.) bitten, sich zu entfernen; invitare (qualcuno) ad andarsene, ‘spedire’ (qualcuno). [ɪ ɔn-dɪ gə'liːvrt] - ich habe dich gebeten, wegzugehen; ti ho invitato ad andartene (TM). Etym. vgl. SCHATZ, s.v. lîfern - ‘davonjagen’. Semant. anders schon Pladen s.v. lifern - liefern, (Geerntetes einbringen). Wiederum anders nhd. liefern (vgl. DUDEN s.v., KLUGE s.v.). Auffallend die semant. Entwicklung der romanischen, (alt)mundartlichen Umgebung mit altfrl. livrâ - (?) aufhören (v. PIRONA s.v.), altnordit. livrar und engad. livrer (v. REW 5013) - aufhören. Als Ausgangspunkt für die Verbreitung der oben zitierten Wortformen (sowie auch für franz. livrer) und die Entwicklung ihrer jeweiligen Semantik steht mlat. liberāre mit dem übertragenen Sinn ‘liefern’ neben der Kernbedeutung ‘befreien’ fest (v. REW 5013). Vom semantischen Standpunkt her kann man für die Zeit nach der Übersiedlung eine direkte Übernahme des Zahrer Wortes aus der romanischen Umgebung ausschließen, denn die Hauptbedeutung, die sich im Nordital. entwickelte (‘aufhören’, s. oben) fehlt dem Zahrer Gegenstück zur Gänze. Die semantische Entwicklung des Zahrer Wortes entspricht vielmehr der des Tiroler Gegenstücks (‘verjagen’). Es spricht daher alles dafür, dass das Wort schon vor der Zahrer Übersiedlung in der alten Osttiroler Heimat etabliert war. Problematisch für eine solche Annahme bleibt allerdings KLUGEs Datierung der Entlehnung (ab ca. 1400) ins Hochdeutsche, da die Zahre aller Wahrscheinlichkeit nach schon vor 1300 von Osttirol aus besiedelt wurde. Andererseits waren ab diesem Zeitpunkt sprachliche und wirtschaftliche Kontakte mit der alten Heimat äußerst beschwerlich. Unter diesen Umständen ist eine nachträgliche Übernahme des Wortes ins Zahrerdeutsch aus Tirol unwahrscheinlich, auch deswegen, weil von einem Fachwort des Handels bei der spezifischen tirol. Semantik keine Rede (mehr) sein konnte. Denkbar wäre eine vor 1300 erfolgte, getrennte Entlehnung ins Tir. (und damit ins Vorzahr.) über das Westroman., u. zwar unabhängig von der von KLUGE für nhd. ‘liefern’ über den etappenreichen hansischen Handelsweg dargestellten.